Wie die meisten, die im Bereich Social Media arbeiten, behalten wir das Creator-Business sehr genau im Auge. Und zwar so genau, dass wir es zu einem der wichtigsten Trends in unserem Social Media Trends 2022 Report erklärt haben.
Dieser Trends Report führte uns auch zu unserem Gespräch mit Jamie Byrne, Senior Director of Creator Partnerships bei YouTube. Wir haben ihn während der Recherchen für unseren Report interviewt.
Byrne kennt das Thema Creators aus erster Hand. Er ist nicht nur einer der dienstältesten Mitarbeiter von YouTube (seit 15 Jahren an Bord!), er leitet auch ein Team, das sowohl mit Creators als auch mit Marken zusammenarbeitet, um deren Erfolg auf YouTube voranzubringen.
In seiner Zeit bei YouTube konnte Byrne die Entwicklung von Creators und des Creator-Business hautnah miterleben. Deshalb weiß er auch sehr genau, worauf es jetzt ankommt – und er kann uns einige wichtige Prognosen für die Zukunft verraten.
Das Ende der Single-Plattform-Creators
Creators haben Konjunktur – zumindest in mancher Hinsicht.
„Creators haben ein neues Level von Macht und Einfluss erreicht“, erklärt Byrne. Doch dieser Aufstieg brachte auch Herausforderungen mit sich.
Die wohl größte: die Erwartung – und Notwendigkeit –, dass jeder Creator auf mehreren Plattformen aktiv ist.
„Man braucht nur zwei Jahre zurückdenken. Damals war man ein YouTuber oder auf Musical.ly aktiv, oder man war Instagrammer“, sagt Byrne. „Heute ist es selbstverständlich, dass man als Creator auf mehreren Plattformen präsent sein muss.“
Dies stellt laut Byrne so eine große Herausforderung an Creators, weil sie sich überlegen müssen, wie sie ihre Produktionskapazitäten und ihr Engagement skalieren können. Ein Creator muss die Balance halten – einerseits geht es um den richtigen Content für jede Plattform, der die dort aktiven Fans bei der Stange hält, andererseits muss sich die Arbeit über alle Kanäle vernünftig monetarisieren lassen.
Doch Byrne sieht in dieser Herausforderung auch eine Chance.
Hunderte neue Unternehmen sind entstanden, um Dienstleistungen für diese Multiplattform-Creators bereitzustellen. Eines davon ist Stir Money, eine Plattform, die es digitalen Creators ermöglicht, ihre diversen Umsatzströme zu managen und Mitarbeiter wie etwa Video-Cutter zu bezahlen. Und dann gibt es natürlich noch Tools, mit denen Creators gleich all ihre Plattformen über ein einziges Dashboard verwalten können (*zwinker zwinker*).
Dieser Wandel wurde zum Teil von den Creators selbst vorangetrieben.
Aus Sorge, zu sehr von einem einzigen Social-Media-Netzwerk abhängig zu sein, entschieden sie sich dafür, auf mehreren Plattformen aktiv zu werden und so ihr wachsendes Geschäft zu diversifizieren. Das bedeutet: größere Veränderungen wie Algorithmus-Updates, die Einführung neuer Features oder die Umstellung von Geschäftsmodellen bestimmen nicht so stark über ihren Erfolg. Und das macht sie widerstandsfähiger. Außerdem eröffnet ihnen diese Strategie ein größeres Spektrum an Möglichkeiten zur Monetarisierung.
Die Entwicklung von Creators auf YouTube
Byrne konnte über 15 Jahre beobachten, wie sich das Creator-Business auf YouTube entwickelte und hat konkrete Vorstellungen, wie es auf der Plattform weitergeht.
Besondere Aufmerksamkeit verdient seiner Ansicht nach die Zunahme an Nutzern aus der Generation Z, die über ihr Handy auf YouTube zugreifen – und damit die Frage, welche Auswirkungen eine Community aus Mobile-first-Creators und -Zuschauern auf die Plattform haben könnte.
Er prognostiziert, dass sich das Creator-Ökosystem von YouTube zu vier Haupttypen entwickeln wird:
- Mobile-native Gelegenheits-Creators
- Creators, die sich ausschließlich dem Kurzform-Video widmen
- Hybrid-Creators
- Langform-Video-Creators
Obwohl es sich bei den drei letztgenannten Kategorien um die Art von engagierten Content-Creators handelt, die man am ehesten mit dem Begriff „Creators“ in Verbindung bringt, sieht Byrne auch Raum für Gelegenheits-Creators.
„Das sind Leute, die vielleicht einen lustigen Augenblick mit der Kamera einfangen, der sich dann als Video viral verbreitet“, sagt er. „Sie werden nie auf lange Sicht Creators sein, aber sie bekommen ihre 15 Minuten Ruhm.“
Der YouTube-Manager kann sich auch eine Zukunft vorstellen, in der Creators, die heute noch ausschließlich auf Kurzvideos spezialisiert sind, zu Hybrid- oder Langform-Content „aufsteigen“, so wie die erfolgreichen Vine-Stars, die nach Einstellung dieser Plattform zu YouTube abwanderten.
„Sie wurden zu den wichtigsten Creators auf unserer Plattform, weil sie mit ihren Kurzvideos bereits großartige Storys erzählen konnten“, erzählt Byrne. „Sie mussten lediglich herausfinden, wie sie es von 15 oder 30 Sekunden auf 3 Minuten und dann auf 5 oder 10 Minuten Länge schaffen“.
Byrne kann sich vorstellen, dass YouTube Shorts eine ähnliche Rolle wie Vine spielen werden: als eine Art Lehrwerkstatt für Leute, die sich hauptberuflich der Content-Erstellung gewidmet haben.
„Wir glauben, dass wir auf YouTube wieder diesem gelegentlichen, Mobile-nativen Kurzvideo-Creator begegnen werden“, erläutert er, „ebenso wie dem Hybrid-Creator, der in beiden Lagern spielt. Und dann wird es eben noch die reinen Langform- und Video-on-Demand-Creators geben. Das bringt uns meiner Ansicht nach in eine fantastische Position, weil wir diese unglaubliche Pipeline von Millionen Kurzvideo-Creators haben, von denen viele irgendwann damit beginnen, auch längere Inhalte für unsere Plattform zu erstellen.“
Was unternimmt YouTube in dieser Hinsicht?
Laut Jamie Byrne konzentriert sich sein Team intensiv darauf, sich im gesamten Unternehmen als Fürsprecher für Creators stark zu machen. Er und seine Mitarbeiter identifizieren, was Creators für ihren Erfolg brauchen und vermitteln das an andere Stellen im Unternehmen, um sicherzustellen, dass diese Bedürfnisse auch erfüllt werden.
Vor diesem Hintergrund wurden mittlerweile zwei Millionen Creators ins YouTube-Partnerprogramm aufgenommen. Mit den aus dem Programm gewonnenen Erkenntnissen konnte sich Byrnes Team auf einen ganz wesentlichen Bereich fokussieren: die Monetarisierung.
Er erläutert: „Wir arbeiten daran, eine Reihe stabiler Monetarisierungs-Tools zur Verfügung zu stellen, um Creators auch in finanzieller Hinsicht erfolgreich zu machen“.
„Diese Tools sollen es Creators ermöglichen, ein individuelles Portfolio aus Monetarisierungsoptionen zusammenzustellen, das sich sowohl für sie als auch für ihre Community optimal eignet. Wir bemühen uns also darum, sie aufzuschlauen und ihnen auf unserer Plattform ein entsprechendes Business-Toolkit an die Hand zu geben.“
Dazu gehört auch Werbung – doch das Angebot geht weit darüber hinaus.
Es beinhaltet unter anderem Geldmittel für Creators wie etwa in Form des Shorts Fund, der Creators dazu motivieren soll, das neue Kurzvideo-Feature zu nutzen. YouTube hat allein in den vergangenen drei Jahren 30 Milliarden Dollar an Creators ausbezahlt.
Laut Byrne gibt aber auch „alternative” Monetarisierungsoptionen. YouTube bietet Creators mittlerweile neun weitere Möglichkeiten an, ihre Werke auf der Plattform zu Geld zu machen – darunter Features wie eine Kanalmitgliedschaft oder „Super Thanks“, mit dem Zuschauer beim Betrachten eines Videos dem jeweiligen Creator ein Trinkgeld spendieren können.
Creators sind für das Funktionieren von YouTube als Plattform unverzichtbar. Deshalb ist Byrne’s Team auch bestrebt, sie bei Laune zu halten, damit sie das tun können, was sie am besten tun.
Das Creator-Business funktioniert nicht ohne Marketer
Wer schon einmal einen plumpen #SponsoredPost für Detox-Tees gesehen hat, wird vielleicht meinen, dass Creators ohne Werber besser dran wären. Byrne glaubt jedoch, dass Marketer ein entscheidender Teil des YouTube-Ökosystems und der Creator-Wirtschaft generell sind.
„Die Creator-Community setzt sich tatsächlich aus drei Komponenten zusammen“, sagt er. „Den Creators, den Fans und den Werbetreibenden.”
Dieses System ist für alle Beteiligten vorteilhaft. Die Werbetreibenden bringen den Creators Einnahmen, die dann in ihren Content, die Einstellung von Produktionsteams sowie die stetige Verbesserung der Qualität und Raffinesse ihrer Produktionen fließen.
„Die Creators wiederum bringen Marketern eine unglaubliche Reichweite. Und davon haben auch die Fans etwas, weil ihnen eine Unmenge fantastischer Inhalte zur Verfügung steht, für die sie nichts bezahlen müssen. Würde man die Marketer aus dieser Gleichung herausnehmen, wäre alles ein wenig schwieriger.“
Entscheidend ist jedoch, dass Marken mit den Creators auf die richtige Weise zusammenarbeiten müssen, damit sie nicht genau das ruinieren, was den Content eines Creators erst so attraktiv gemacht hat.
Lässt man einem Creator aber die Freiheit, das zu bewerbende Produkt oder den Service so in seinen Content zu integrieren, dass sich das Ergebnis sowohl authentisch wie organisch anfühlt, dann führt das nicht nur zu einem besseren Erlebnis für die Follower des Creators, sondern auch zu besseren Geschäftsergebnissen für die Marke.
In unserem Social Media Trends 2022 Report befassen wir uns (ausführlich) mit Creators – und haben sogar einen eigenen Trend identifiziert, der sich darauf konzentriert, wie Marken und Creators effektiv kooperieren können. Das ist gleich Trend Nr. 1 in unserem Report, doch es lohnt sich, sie alle zu lesen. (Wir sind da eventuell etwas voreingenommen, aber vertrauen Sie uns einfach.)