Jedes Jahr wird am 8. März der Weltfrauentag begangen. Ein Tag, an dem auf die Rolle der Frau in der Gesellschaft aufmerksam gemacht wird und an dem die sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Errungenschaften gefeiert werden.
Auch bei Hootsuite feiern wir den Weltfrauentag. Dieses Jahr möchten wir auf Frauen in der Digitalbranche aufmerksam machen – eine Branche, in der Frauen noch immer unterrepräsentiert sind. Zu diesem Anlass haben wir Juliane Leopold interviewt.
Juliane Leopold studierte Publizistik und Kommunikationswissenschaft an der Freien Universität Berlin. Es folgten Stationen bei der Neuen Zürcher Zeitung, der Freitag und der ZEIT mit Schwerpunkten Technologie, Gesellschaft und Nachrichten. 2014 wechselte sie als Gründungs-Chefredakteurin zu Buzzfeed Deutschland. 2015 wurde Leopold von der Fachjury des Medium Magazins in der Kategorie “Newcomer des Jahres” auf den zweiten Platz gewählt. Seit 2016 arbeitet sie als freie Journalistin, Data-Analystin und strategische Beraterin für verschiedene Medien.
Sie haben Kommunikationswissenschaften und Publizistik studiert. Wussten Sie schon immer, dass Sie in den digitalen Medien arbeiten wollten? Was hat Sie dazu inspiriert?
Ich habe während meines Studiums an der Freien Universität Berlin nie zu träumen gewagt, dass meine Leidenschaft für digitale Medien einmal mein Job werden könnte. Damals standen soziale Medien und Blogs noch am Anfang ihres Erfolgs. Ich fand es faszinierend, wie sehr sich die Inhalte auf diesen Kanälen von denen in traditionellen Medien unterschieden und verbrachte aus Neugier und Interesse viel Zeit mit diesen neuen Inhalten. Ich weiß noch, dass ich 2004/2005 blogger.com nach interessanten Stimmen durchforstete und gebannt persönlichen Blogs aus aller Welt folgte, die mir gefielen. Später kam dann Twitter dazu, dessen Welt ich mir ebenfalls erschloss. So baute ich mir Expertise auf, die dann bedeutend und wichtig für den Medienmarkt in Deutschland wurde. Beispielsweise hinsichtlich der Fragen, wie man sich eine Community auf diesen Kanälen aufbaut oder wie sich Inhalte digital und kanalgerecht publizieren lassen. Geplant war das nicht. Das ist auch gut so. Denn um in digitalen Medien zu arbeiten, braucht es ein dickes Fell und einen langen Atem. Beides lässt sich nicht planen. Das musst du mitbringen.
Wie hat Social Media Ihren Werdegang oder auch Ihre tägliche Arbeit beeinflusst?
Social Media ist einer der Ursprünge meines Werdegangs und bis heute der Ort, wo sich der größte Teil meiner Arbeit abspielt.
Zunächst einmal, weil ich über Social Media ein eigenes und großes Netzwerk pflege, welches ich mir im Laufe der Jahre aufgebaut habe. Dieses Netzwerk bereichert mich mit Informationen, Denkanstößen, Rückmeldungen und mit Emotionen.
Es liefert mir zudem wertvolle Tipps: Meinen ersten Job nach dem Studium verdanke ich zum Beispiel Twitter. Ich habe damals über das Netzwerk gesucht und über ein paar Ecken fand sich tatsächlich eine offene Stelle, die ich nach einem gänzlich analogen Bewerbungsprozess auch bekam.
Später wurde Twitter dann zu meiner digitalen Visitenkarte und zu meinem Arbeitsplatz. Als Social Media-Redakteurin bei der ZEIT war ich auf einmal beruflich in sozialen Medien unterwegs, um für die Onlineredaktion Informationen zu prüfen, einzuordnen und Nachrichten in die Welt zu schicken. Das war sehr spannend.
Gleichzeitig habe ich damals angefangen, mit Schulungen meine Kolleginnen und Kollegen für diese Welt zu begeistern und zu befähigen. Dann kam meine Zeit als Chefredakteurin von BuzzFeed Deutschland, einem Medium, dessen Hauptschlagader die sozialen Medien sind. Die Beschäftigung und die Zeit, die ich in sozialen Medien verbringe, wurde also immer mehr.
Das hat mir Freude bereitet, die anhält. Zum Beispiel heute, wenn ich Medien wie die Tagesschau oder die Deutsche Welle bezüglich spezifischer Kanalstrategien in sozialen Medien oder zu Redaktionsworkflows berate, die zu den jeweiligen digitalen Kanälen passen. Den stetigen Wandel dieser Welt finde ich spannend und abwechslungsreich. Er motiviert mich bis heute.
Wie können digitale Medien dazu beitragen, dass ein Unternehmen seine Geschäftsziele erreicht?
Digitale Medien können für Unternehmen vieles sein: Pulsmesser, was die Wünsche und Bedürfnisse der Kundschaft angeht. Unterstützer des Vertriebs. Spiegel des Unternehmens. Grundsätzlich bieten digitale Medien Unternehmen viel größere Chance als bisher, die eigene Geschichte mit eigenen Werkzeugen direkt an die Zielgruppe zu kommunizieren. Das ist ein Schatz, den es zu nutzen gilt. Gleichzeitig gibt es natürlich auch neue Risiken. Zum Beispiel bei den Themen manipulierte Kommunikation, Hasskommentare und Bewertungen im Netz. Hier ist es für Unternehmen wichtig, sich professionelle Unterstützung zu holen, entweder in-house oder durch kompetente externe Beratung.
(Warum) Ist der International Women’s Day für Sie relevant?
Schon als Kind war der 8. März für mich ein besonderer Tag. Für meine gesamte Familie war dieser Tag viel relevanter als etwa der Muttertag, der damals überhaupt nicht zur Kenntnis genommen wurde. Das liegt sicherlich an meiner Herkunft und Sozialisation im Osten Deutschlands. Dort sollten Frauen an diesem Tag gefeiert werden. Das Mindeste war ein Blumenstrauß. Nun machen ein paar rote Nelken noch keine Gleichberechtigung und natürlich war dieser Tag auch ein Instrument der DDR-Politik, um bestimmte Ziele zu untermauern. Aber ich bin auch in einer Familie aufgewachsen, in der Frauen und Männer gleichberechtigt waren und sind. In einer Umgebung, in der es bis heute selbstverständlich ist, dass es eine Ganztagskinderbetreuung gibt, um Eltern die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu ermöglichen. Hausarbeit und Erziehung ist in dieser Welt nicht „Frauensache“. Ich setze mich dafür ein, dass dies auch heute noch gilt und zwar nicht nur im Osten Deutschlands. Der 8. März ist für mich ein wichtiger Tag, weil er mich daran erinnert, diese Ziele künftig auch weiter zu verfolgen.
Welches sind aus Ihrer Sicht die Erfolgsfaktoren von erfolgreichen Frauen in der Tech-Branche?
Das ist eine schwierige Frage, weil die Tech-Branche in der Regel nicht gerade freundlich zu Frauen ist. Frauen sind in der Tech-Branche unterrepräsentiert. Sie sind seltener Gründerinnen und wenn sie es sind, sammeln sie weniger Venture Capital ein in dieser meist männlich-dominierten Branche. Außerdem stehen sie unter größerem Druck, was Sexismus angeht. Der Fall Ellen Pao kommt mir da in den Sinn. Was ihren männlichen Kollegen als Stärke ausgelegt wurde – zum Beispiel der Einsatz von Ellenbogen am Arbeitsplatz – war bei ihr ein Grund, sie nicht zu befördern. Doch sind Frauen zu „weich“, wird mangelnde Durchsetzungsfähigkeit unterstellt. Es ist ein Teufelskreis.
Viele solcher frauenfeindlichen Erscheinungen sind Fortschreibungen der Old Economy in die digitale Wirtschaft.
Ein Vorteil für Frauen heute ist vielleicht, dass sie leichter ihr eigenes Ding machen können, und sich aufgrund der niedrigeren Einstiegshürden zum Beispiel beim Publizieren über digitale Kanäle schneller freischwimmen können. Das Beispiel der Influencerinnen im Bereich Mode und Lebensstil auf Instagram und YouTube zeigt dies recht anschaulich. Erfolgstories wie die von Tavi Gavinson, die als Modebloggerin anfing und inzwischen ein eigenes kleines Medienreich beherrscht, sind ein weiterer Beleg dafür.
Gleichzeitig sind Mode, Schönheit, Mütterlichkeit und Lebensstil Bereiche, die traditionell Frauen zugeordnet werden. Das macht den Erfolg von Frauen dort vielleicht immuner gegenüber Angriffen, aber letztlich zementiert er auch gesellschaftliche Verhältnisse, welche möglicherweise einschränkende Rollenbilder zementieren.
Der Weg in eine gleichberechtigtere Zukunft ist trotzdem möglich, aber für diesen Weg braucht es einen langen Atem. Schließlich dürfen Sie nicht vergessen, dass es eine Vielzahl äußerst mächtiger Interessen gibt, die an dieser Gleichberechtigung nicht nur nicht interessiert sind. Viele Nutznießer der derzeitigen gesellschaftlichen Verhältnisse bekämpfen sie sogar.